Ein einfaches Teilchenmodell
Wenn der Stoff Wasser, so wie die meisten anderen Stoffe auch, fest, flüssig und gasförmig sein kann aber trotzdem immer der Stoff Wasser bleibt, was macht dann das Wesen dieses Stoffes, des Wassers, aus?
Die Idee
Wie klein kann eine Wasserportion werden, ohne die Eigenschaft zu verlieren, Wasser zu sein ? Wenn man einen Wassertropfen immer wieder in der Mitte teilt, sodass zwei gleich große Protionen entstehen, was bleibt am Schluss übrig? Irgendwann muss man zu einer kleinsten Portion kommen, die sich nicht mehr teilen lässt, ohne das der Stoff "kaputt" geht. Diese kleinste Portion wurde schon in der Antike postulliert und mit atomos (griechisch, unteilbar) bezeichnet. Heute leitet sich unser Atombegriff davon ab. Die Bezeichnung "Atom" ist aber für die kleinste Portion eines Stoffes wie Wasser nicht korrekt, weshalb wir vorerst von "kleinsten Teilchen" sprechen wollen.
Das Teilchenmodell
Der Modellbegriff
Als ich selbst damals zum zweiten Mal mit dem Teilchenmodell in Berührung kam, war es anders als beim ersten Mal. Ich fand das frustrierend, denn das bedeutete ja, dass eines der beiden Modelle falsch war. Ganz schön naiv :-) Natürlich waren sie beide "falsch", so wie auch allen anderen, später dazu gekommenen. Ein Modell ist immer "falsch", denn es ist ja nur ein Modell, eine vereinfachende Abbildung der Wirklichkeit, eine Krücke für den Geist,.... So wie ein Modellauto nur einen Teil der Eigenschaften des realen Autos abbildet. bildet auch das Teilchenmodell nur einen Teil der Eigenschaften der realen Teilchen ab.
Ein Modell hat also niemals den Anspruch, ein vollständiges Abbild der Wirklichkeit zu sein. Es stellt nur einen kleinen Ausschnit davon dar und erlaubt hiermit in Grenzen Vorhersagen zum Verhalten der realen Objekte. Wenn die Vorhersagen sich dann als falsch herausstellen, war das gewählte Modell nicht geeignet.
Je komplexer ein Teilchenmodell ist, desto häufiger werden die auf ihm basierenden Vorhersagen zutreffen aber desto schwieriger wird auch die Anwendung des Modells. Die Herausforderung ist also, in jedem Fall das Modell so einfach wie möglich und so komplex wie nötig zu wählen.
Das einfachste Teilchenmodell
In diesem einfachsten Modell stellen wir uns vor, dass jeder Stoff aus "kleinsten Teilchen" besteht, die folgende Eigenschaften haben:
- Die kleinsten Teilchen sind massive Kugeln, ähnlich Billardkugeln, nur wahnsinnig klein.
- Alle Teilchen eines Stoffes sind untereinander gleich.
- Die Teilchen eines Stoffes ziehen sich gegenseitig an.
- Zwei verschiedene Stoffe unterscheiden sich durch die Größe, die Masse und die Anziehungskraft der Teilchen aus denen sie bestehen.
- Die Teilchen bewegen sich infolge der Temperatur. Die Bewegungsenergie nimmt zu, wenn die Temperatur steigt. Diese thermische Bewegung wirkt der Anziehungskraft entgegen.
Teilchenmodell und Aggregatzustand
Mit diesem einfachen Teilchenmodell lässt sich nun ziemlich gut erklären, warum ein Stoff wie Wasser je nach Temperatur einen anderen Aggregatzustand haben kann. Die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen ziehen die Teilchen zueinander hin und die thermische Bewegung treibt sie auseinander.
fest | flüssig | gasförmig | |
---|---|---|---|
Anziehungskräfte zwischen den Teilchen | wirken sehr stark | wirken stark | sind nicht wirksam |
Teilchenbewegung | Teilchen schwingen auf ihren Plätzen | Teilchen wechseln ihre Plätze | schnelle Bewegung durch den Raum, ständige Zusammenstöße |
Abstand zwischen den Teilchen | Teilchen berühren sich | Teilchen berühren sich | Abstand sehr groß |
Ordnung der Teilchen | regelmäßige Anordnung | unregelmäßige Anordnung | völlig ungeordnet |
Simulation
In der Simulation ist zur leichteren Beobachtung ein Teilchen rot eingefärbt.
Durch verstellen der Temperatur kannst Du beobachten, wie sich nach einer kurzen "Aufheizphase" die Geschwindigkeit der Teilchen anpasst und sich ggf. der Aggregatzustand ändert. Die Grundlage der Simulation ist die obige Tabelle. Die Teilchen ziehen sich gegenseitig an; diese Anziehungskraft nimmt mit der Entfernung ab. Sie unterliegen der Schwerkraft und bewegen sich durch die Temperatur. Der Temperaturregler beeinflusst nur die Geschwindigkeit.
Was kann dieses Teilchenmodell?
Wie man sieht, lässt sich mit diesem einfachen Teilchenmodell zufriedenstellend erklären, warum Stofe drei verschiedene Aggregatzustände haben können und warum die von der Temperatur abhängen.
Verschiedene Stoffe haben verschiedene Schmelz- und Siedetemperaturen, weil die Anziehungskräfte zwischen den Teilchen unterschiedlich sind. Bei höheren Anziehungskräfte ist mehr Energie erforderlich, um diese zu überwinden und Schmelz- und Siedetemperatur sind entsprechend höher.
Schließlich sieht man, dass bei höherer Temperatur die Teilchenbewegung heftiger wird, wodurch...
- ... bei einem Feststoff der durchschnittliche Abstand zwischen den Teilchen zunimmt, weil die Teilchen heftiger schwingen und fester gegeneinander stoßen, weshalb der Feststoff sich ausdehnt wenn man ihn erwärmt und ...
- ...bei einer Flüssigkeit der durchschnittliche Abstand zunimmt, weshalb die Flüssigkeit sich beim Erwärmen ausdehnt. Außerdem werden Platzwechsel häufiger, weshalb Mischungsprozesse, wie etwa das Lösen von Zucker in Kaffee beschleunigt werden und...
- ... bei Gasen die Teilchen mit höherer Geschwindigkeit gegen die Wände prallen, was wir als höheren Druck des Gases feststellen können.
Was kann dieses Teilchenmodell nicht?
Dieses einfache Teilchenmodell kann nicht zufriedenstellend erklären, warum einige Stoffe nicht alle Aggregatzustände einnehmen können. So kann z.B. Kohlendioxid bei 1 bar Druck nicht flüssig sondern nur fest oder gasförmig sein. Zucker kann nur fest und flüssig sein, lässt sich aber nicht verdampfen. Er verbrennt beim Versuch. Mehl verbrennt schon vor dem Schmelzen, kann also nur fest sein....
Außerdem kann dieses einfache Teilchenmodell nicht erklären, wie Stoffe gebildet werden. Der Chemiker kann "neue" Stoffe gezielt herstellen. Aber so weit müssen gar nicht gucken - jeder von uns atmet Luft ein, entfernt daraus einen Teil des Sauerstoffs und fügt stattdessen Kohlendioxid hinzu, dass unser Körper aus der Nahrung und dem Sauerstoff hergestellt hat. Wie dieses Kohlendioxid in unserem Körper entstehen kann, obwohl wir nie "Kohlendioxidteilchen" aufnehmen, kann dieses Teilchenmodell ebenfalls nicht erklären.